Die Geschichte der Kirchenmusik an der Pfarrkirche Altenfelden
(Auszug aus der Orgelfestschrift anlässlich der Orgelweihe 1991, verfasst von OSR Reinhard Lehner)
Die Geschichte der Kirchenmusik ist eng mit der Geschichte der Schule verbunden, weil bis in unsere Zeit beinahe alle Schulmeister auch immer Organisten und bis 1869 sogar verpflichtend Mesner waren. Demnach war der erste, namentlich bekannte Organist und Chorleiter der Schulmeister Zacharias Wiesinger im Jahre 1595. Auf welche Art vor 400 Jahren und früher hier in der Kirche musiziert wurde, ob es um diese Zeit schon eine Orgel gab (was durchaus wahrscheinlich ist) – auf diese Fragen werden wir wohl keine Antworten mehr bekommen. Genauer bekannte Tatsachen und Fakten können wir ab dem 18.Jhdt. aus Pfarr- und Schulchronik entnehmen. So stammte die erste nachweisbare Orgel aus dem Jahr 1720.
Die Orgel von Johann Ignaz Egedacher (1720):
Nach einem Kirchenbrand beauftragte der damalige Pfarrer und Hofkaplan des Passauer Bischofes Graf Georg Bianchi von Weißenhaus den Passauer Orgelbauer J.I.Egedacher mit dem Bau einer Orgel. Egedacher, ein gesuchter Orgelbauer seiner Zeit, schuf ein prachtvolles Werk mit 8 Registern, reich an Schnitzerei und Vergoldung. Auch die noch bestehenden Seitenaltäre und die schöne Kanzel unserer Pfarrkirche wurden von Bianchi in derselben Zeit angekauft. Leider wurde bei so großen Vorhaben das Geld zu wenig und bald hätte die Orgel nicht vergoldet werden können, hätte nicht der damalige Fürstbischof mit einer Spende ausgeholfen. Die Inschrift auf der Orgel erinnerte daran:
Übersetzung:
„Durch die Großzügigkeit des passauischen Fürstbischofs und kaiserlichen geheimen Rates Ferdinand von Rabatta konnte diese Orgel 1720 vergoldet werden.“
Der erste Organist an dieser schönen Barockorgel war der Schulmeister Franz Kißl (1713-1768). Für jeden Schulmeister waren damals die Einkünfte aus dem Organistendienst (zugleich Chorleiterdienst) und dem Mesneramt ein lebenswichtiger Verdienst, sie machten rund die Hälfte des ohnehin spärlichen Gesamteinkommens aus. Eine Aufstellung des Jahreseinkommens eines Schulmeisters dieser Zeit blieb erhalten:
Aus dem Organistendienst:
Ein Grundstück zur Bewirtschaftung im Flächenausmaß von 1 Joch 928 Klaftern und aus der Kirchenkasse 75 fl (Gulden)
Aus dem Mesnerdienst:
32 Metzen 10 Maß Korn, 162 Reisen Flachs, gehechelt im Gewichte von 17 Pfund, an Stiftungsgenüssen, Stolagebühren, Trauungen und Sterbefällen insgesamt 72 fl.
Davon hatte er aber den Schulgehilfen, den Orgelaufzieher und die Schul- und Kirchenreinigung zu bezahlen.
Die Reihenfolge der Organisten geht an Hand der Schulchronik mit den Schulmeistern folgendermaßen weiter:
Johann Müller (1768-1798)
Vinzenz Müller (1798-1812)
Ignaz Steindl (1812-1824) (verunglückte tödlich auf dem Dachboden der Kirche, als er bei einem nahenden Gewitter das Dachfenster schließen wollte.)
Simon Lauß (1824-1836)
Ignaz Lauß (1836-1846)
Eduard Lauß (1846-1863)
Leopold Hell (1863-1893)
Mit Simon Lauß befinden wir uns bereits in einer Zeit, wo die erhalten gebliebenen Noten im Chorarchiv schon Aufschluß über Art und Weise der Kirchenmusik des vorigen Jahrhunderts geben können. Besonders auch von Leopold Hell sind eine Vielzahl von handgeschriebenen Noten erhalten, sicher ein Zeichen dafür, daß unter seiner Leitung die Kirchenmusik eine Blütezeit erlebt haben dürfte. Die Anzahl der Noten pro Werk läßt auf eine Chorstärke von maximal 15 Sängerinnen und Sängern schließen. Alle Messen waren jedoch mit Orchesterbegleitung: Streichquartett, 2 Hörner, manchmal 2 Trompeten , Posaunen und auch Pauken.
Hells Engagement als Schulmeister und auf dem Gebiet der Kirchenmusik wurde damals durch die erste Verleihung der Ehrenbürgerwürde von der Gemeinde Altenfelden honoriert.
Nach der Pensionierung Hells übernahm der Schulmeister Franz Neumüller bis zum Jahre 1899 die Leitung des Chors. Auch er dürfte ein guter Musiker gewesen sein, weil er schon damals für soziale Zwecke (die sogenannte Suppenanstalt) Konzerte im damaligen „Thallerhaus“, zusammen mit Lehrerkollegen, gab.
Nach dem plötzlichen Tod Neumüllers übernahm mit Karl Radler wieder ein sehr musischer und kulturell interessierter Schulleiter den Chor und die Organistenstelle. Radler ist besonders auch wegen seiner schönen Aquarelle, und seiner Forschungen auf dem Gebiet der Volkskunde ber die Gemeindegrenze hinaus berühmt geworden. Radler war überaus fleißig, schrieb viele Messen ab („Führer“, „Gütler“, „Gruber“, „Reimann“, „Filke“…..) und gab ebenso Konzerte im Thallerhaus. Jeden Sonntag wurde ein lateinisches Amt gesungen, nachmittags zum Segen eine Litanei. Auch mit Kindern veranstaltete Radler schon musikalische Hirtenspiele und andere Theaterstücke.
Organist zu Radlers Zeiten war auch der Gemeindearzt Dr.Franz Schnopfhagen, ein Sohn des Komponisten unserer Landeshymne „Hoamatland“. Während des 1.Weltkriegs, im Jahre 1917, wurde die Egedacher Orgel der Prospektpfeifen beraubt und diese zusammen mit den Kirchenglocken für Kriegszwecke eingeschmolzen. Damit verlor diese schöne Orgel, die 200 Jahre lang die Kirchenmusik begleitet hatte, ihr wichtigstes Register, den Principal.
Die Orgel von Panhuber 1927:
Im Jahre 1921 übernahm Johann Kainberger den Kirchenchor für 25 Jahre. Unter seine Chorregentschaft fiel der Abriá der Egedacher Orgel und der Neubau der pneumatischen Panhuber Orgel im Jahr 1927. Warum an eine Restaurierung der alten Orgel nicht gedacht wurde, ist nicht mehr ergründbar. Möglicherweise wäre sie zu kostspielig gewesen, wahrscheinlicher ist aber, daß der musikalische Zeitgeist und der Reiz der damals modernen, pneumatischen Traktur dies verhindert hat. Die Orgeln dieser Zeit sollten in ihrem Klang orchesterähnlich sein, um so die orchesterhafte Begleitung der romantischen Kirchenmusik zu übernehmen. Sicher war diese Orgel fr viele Altenfeldner damals ein klangliches Erlebnis, denn gegen die „kriegsversehrte“, 7-registrige Egedacherorgel war der Klang der neuen Panhuberorgel mit 18 klingenden Registern und Ober- Unteroktavekoppeln, jedenfalls gewaltig.
So schrieb auch der Chorleiter Kainberger in der Schulchronik darüber:
„Am 27.November 1927 war Orgelweihe und Kollaudierung der neuen Orgel durch Prof.Gruber, Domkapellmeister aus Linz und Hrn. Dr.Franz Schnopfhagen aus Altenfelden. Die Orgel ist ein Prachtwerk aus der Hand des Orgelbaumeisters Josef Panhuber aus Ottensheim.“
Diese neue Orgel wirkte sich wohl positiv auf die Kirchenmusik aus, denn unter Kainberger wurden Messen aufgeführt, die Chor und Orchester schon einiges abverlangten – unter anderem die Messe in C-Dur von A.Bruckner („Windhaager“) und die Messe in G-Dur von Franz Schubert. Auch damals schon holte man sich manchmal „Verstärkung“ bei schwierigen Messen, so ist in der Chronik vermerkt, daß der Sohn des 1904 verstorbenen Leopold Hell, nämlich Leopold Hell,jr, ein ausgebildeter Tenor aus Wien, manchmal im Chor mitwirkte.
Erfreulich war in dieser Zeit die Besetzung des Orchesters mit eigenen, ortsansässigen Kräften. Viele Handwerker, der Postmeister, manche Lehrer konnten gut Violine spielen und wirkten im Chor mit.
Johann Kainberger leitete den Kirchenchor bis in die Vierzigerjahre, denn in der furchtbaren Zeit des Nazi-Regimes durften Lehrer nicht mehr am Chor mitwirken oder Orgel spielen.
So übernahm behelfsweise eine Klosterschwester den Chor und die Organistenstelle. „Schwester Laura“ wurde dann nach den Kriegsjahren von der Pfarrhaushälterin Dr. Theresia Zehentbauer abgelöst. Die „Frau Doktor“, wie man sie nannte, war sehr musikbegeistert und ging mit Elan an die neue Arbeit. Als mein Vater, OSR Emmerich Lehner als junger Lehrer im Jahre 1947 nach Altenfelden kam, wurde er bald Dirigent des Kirchenchors. Die Frau Doktor hatte nämlich mit der Bewältigung der Orgel derart zu tun, daß sie Verstärkung brauchte. Es war dies sozusagen die erstmalige Trennung von Chorleitung und Organistenstelle in Altenfelden, die bis heute so geblieben ist. Nach dem plötzlichen Tod von Frau Dr.Zehentbauer (sie starb bei einer Cäcilienfeier des Kirchenchors im Jahr 1964) leitete mein Vater den Chor bis 1977 alleine weiter. Als Organisten fungierten zwischendurch OSR Franz Kneidinger und Elli Wöss. 1967 wurde die damalige Junglehrerin Elisabeth Kneidinger aus Arnreit Organistin an unserer Pfarrkirche. Als verehelichte Elisabeth Pettrich ist sie bis heute unsere tüchtige Organistin, die auch schwierige Messen meisterhaft begleitet. An den Sonntagsgottesdiensten spielen derzeit auch ihr Sohn Rainer Pettrich, der unseren Jugendchor gegründet hat und leitet, sowie ich selber. Seit 1977 bin ich also Chorleiter. Weil ich durch meine Ausbildung am Bruckner Konservatorium dafür geeignet erschien, übergab mir mein Vater den Dirigentenstab.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Besetzung der Tenorstimmlage ist die Zahl der Sängerinnen und Sänger derzeit erfreulich:
Der Chor zählt 42 Mitglieder, davon 12 Herren.
Durch eifrige Probenarbeit haben unsere musikalischen Leistungen ein gutes Niveau bekommen und die neue Orgel wird uns sicher alle zu weiteren Anstrengungen antreiben. Vor allem die Aufführungen von Barockmessen werden durch die „stilechten“ Register aufgewertet.
Dank des Ausbaues des Musilkschulnetzes in Oberösterreich ist es nun auch nicht mehr so schwer gute Musiker, Violinspieler, für die Orchesterbegleitung engagieren zu können. Einen Dank möchte ich hier an alle Musiker richten, die sich für die Kirchenmusik in Altenfelden einsetzen und eingesetzt haben.
Natürlich gebührt mein Dank besonders allen Mitgliedern unseres Kirchenchores, die ihr musikalisches Können einer Gemeinschaft zugute kommen lassen und die auch die Opfer der wöchentlichen Probenarbeit auf sich nehmen.
In diesem geschichtlichen Rückblick spielen viele verschiedene Menschen, verschiedene Zeiten und politische Strömungen, verschiedene Kunstepochen und Musikstile, verschiedene Liturgieformen usw. eine mehr oder weniger groáe Rolle. Der „rote Faden“, der sich aber durch all die Jahrhunderte zieht, bleibt stets deutlich sichtbar:
Immer schon haben sich Menschen hier bemüht, ob als Sänger oder Musiker, ob als Organisten oder Chorleiter durch die Kirchenmusik mitzuhelfen, ein wenig die Größe unseres Schöpfers erahnen zu lassen und zu seinem Lobe beizutragen. Der Lohn war und ist noch immer die Freude an der Musik und das gemeinschaftliche Erleben derselben. Möge die neue Orgel auch in Zukunft dazu beitragen !